
Für den Einsatz brennen
Mittendrin im Ehrenamt: Während die Rockstars auf der Stadionbühne ein Konzertspektakel abfeuern, sorgen die Einsatzkräfte der Malteser für die Sicherheit der Fans.
Über 65.000 Menschen sind ins Olympiastadion gekommen, um es krachen zu lassen. Rammstein macht Konzertstation in der Hauptstadt. Haushohe Lautsprechertürme kündigen ein Rockspektakel an, dem die seit Stunden in der prallen Sonne harrende Menge mit steigendem Bierdurst entgegenfiebert. Plötzlich schreitet ein glatzköpfiger Hüne auf eine Gruppe Malteser zu, die am Seitenrand steht, nimmt mit lückenlos tätowierten Armen seine Sonnenbrille ab und sagt: „Ich möchte mich mal bei euch bedanken. Respekt, was ihr leistet!“
Die Sicherheit der Gäste im Blick
„Das ist heute schon der zweite, der sich bedankt“, sagt Florian. Der 32-Jährige hat bei den Maltesern in Berlin, für die er sich seit rund einem Jahr ehrenamtlich engagiert, die Ausbildung zum Einsatzsanitäter absolviert. Zusammen mit der 19-jährigen Rettungssanitäterin Julia bildet der Informatiker eines Julia bildet der Informatiker eines von 15 Zwei-Personen-Teams der Malteser, die für die Sicherheit der Besucher im Innenfeld des Stadions sorgen; weitere sieben Teams sind für die Tribünengäste da. Ein bis zwei Dienste pro Woche leistet Florian im Schnitt. Meist geht es um die Betreuung von lokalen Veranstaltungen wie etwa Fußballturnieren, Pfarrfesten oder Konzerten in kleineren Eventlocations. Einsätze bei Massenveranstaltungen? Eine sehr attraktive Ausnahme.
„Konzerte miterleben zu können, für die reguläre Besucher teure Tickets lösen müssen, ist eine schöne Begleiterscheinung der Aufgabe“, sagt Florian. „Doch vor allem investiere ich Zeit in das Ehrenamt, weil ich Menschen in Notsituationen helfen möchte.“ Plötzlich eine ohrenbetäubende Explosion. Kein Grund zur Sorge, sondern für lauten Jubel im Stadion: Mit einem schweren Gitarrenriff, das die mehrere hunderttausend Watt leistende Soundanlage körperlich spürbar macht, nimmt das Konzert seinen Anfang. Es ist halb neun, die Malteser sind optimal vorbereitet – und das nicht nur mit Ohrstöpseln. Denn die medizinische Absicherung aller Gäste einer Großveranstaltung ist eine logistische Herkulesaufgabe. Ihre Bewältigung erfordert Planung und reibungslos eingespielte Abläufe.
Sorgfältige Vorbereitung ist das A und O
Schon mittags beginnen die Einsatzkräfte damit, mobile Unfallhilfsstellen und Sanitätsstationen einzurichten. Acht Rettungsfahrzeuge, 20 Einsatz- und Mannschaftswagen sowie Transporter für medizinisches Equipment, Tragen und Feldbetten bilden einen beachtlichen Fuhrpark. Unter Zelten geschützt vor der sengenden Sonne, tischt das Betreuungsteam den insgesamt 122 Einsatzkräften Tortellini zur Stärkung auf. Der Einsatz dauert schließlich über zwölf Stunden. Anne Barker sitzt an einem Tisch neben der Eingangstür zur größten Unfallhilfsstelle der Malteser, die etwa auf Höhe der Mittellinie liegt. Weitere Stationen werden von den Maltesern in verschiedenen Tribünenbereichen bemannt.
Als Leiterin der Unfallhilfsstelle nimmt sie die Ersteinschätzung der Patienten vor. Zwei Einsatzkräfte bringen eine junge Frau auf die Station. Ihr sei schwindlig und übel, stöhnt sie. Das lange Stehen in der Hitze ging über ihre Kräfte. Barker weist der Patientin einen von acht Plätzen im grünen Bereich zu, der für leichte Fälle bestimmt ist. Fünf gelb markierte Betten sind für potenziell kritische Fälle reserviert, die sich einer der zwei Ärzte auf der Station umgehend ansehen. Die Intensivplätze im roten Bereich verfügen über mobile Diagnostikeinheiten. Während das Konzert läuft, verschafft sich Gesamteinsatzleiter Rouven Samson in der Beobachtungskanzel im oberen Tribünenrang einen Überblick. „Großveranstaltungen wie diese sind für uns eine gute Übung, um optimal auf einen Katastrophenfall vorbereitet zu sein“, erklärt der 39-Jährige. Die Malteser arbeiten dafür im Stab mit Polizei, Feuerwehr und dem für die Security verantwortlichen Veranstalter zusammen.
Monitore zeigen die Bilder dutzender Überwachungskameras. Die Stimmung ist ausgelassen und friedlich. Meterhohe Flammen schlagen in die Dunkelheit, die sich langsam über das Stadion senkt. „Sehr cool“, kommentiert Florian. Gänsehaut- Atmosphäre. „Ich habe heute wenig zu tun und genieße das Konzert in vollen Zügen.“ Genau wie ihm geht es auch einigen Kollegen, die eigens für den Einsatz angereist sind. 16 Malteser aus Hagen – allesamt Fans der Band – übernachten auf der Wache der Malteser in Berlin. Eine 13-köpfige Gruppe aus Braunschweig tritt noch in der Nacht die dreistündige Heimfahrt an.
Plötzlich greifen Florian und Julia ihre Ausrüstung und bahnen sich einen Weg durch die Menge. Der Bereichseinsatzleiter hat sie per Funk auf die andere Stadionseite beordert, wo wild getanzt wird. Die Band stimmt Schlussakkorde an. Es ist 23 Uhr, zwei Stunden wird der Einsatz noch dauern, bis alle Besucher das Stadion verlassen haben. „Ich habe mich bewusst für das Ehrenamt entschieden und will dafür keine Aufwandsentschädigung“, betont Florian. Die Organisation gäbe auch so viel zurück. „Wir teilen ein Zusammengehörigkeitsgefühl. Ich habe Freunde bei den Maltesern gefunden.“
TEXT: Ralf Kalscheur FOTOS: Nikita Teryoshin